Alok Venom sagt, they lebt jetzt deren Gedicht.
Ich will das auch.
Ausbrechen aus mir und mitten in die Kunst fallen, explodieren und Farbe verschütten, all die Wörter in meine Haut stechen lassen und genau so sein, wie ich bin: Eine, die schreibt. Aber ich zögere noch bei der bunten Kleidung, ich beziehe das Außen mit ein, als hätte es ein Recht auf meinen Körper, ich bleibe immer noch zu oft still. Weil manchmal, da schäme ich mich immer noch ein bisschen dafür, was ich tue. Es braucht diese Konfrontation, die Herausforderung, das „ungute Gefühl“, damit ich lerne, es auszuhalten. Weil ich an meiner Scham wachse, weich werde, offen bleibe. Weil meine Scham genau dieses eine Gefühl ist, das mich aufweckt.
Was habe ich eigentlich zu sagen?
Ich dachte, ich beginne dieses Logbuch mit einem Misserfolg. Mit Scheitern, mit offenen Fragen, mit keiner Marketing-Expertise und Schüchternheit, die mir viel zu oft im Weg steht. Denn ich dachte, dass mein erster Romanschreibkurs nicht zustande kommen würde. Und noch viel schlimmer: Es gab einen Punkt, an dem es mich nicht mehr gewundert hätte, weil was will denn ich da anbieten? Die, die gerade mal ein Buch veröffentlicht hat, das dazu im Selfpublishing, und das nicht einmal eine Romanlänge hat?
Ich habe mir den Kurs überlegt und gestaltet aufgrund der Erfahrungen von Teilnehmenden, die ich in meinen bisherigen Schreibkursen sammeln durfte. Ehrlich gesagt dachte ich, dass ich die ausgeschriebenen sieben Plätze auf jeden Fall loswerde, weil ich mich von der Begeisterung in den Kursen immer noch ein Stück zu sehr mitreißen lasse. Weil wir alle so im Schreibfieber sind, dass ich fest daran glaube, dass Maria und Helena wirklich auftauchen werden, wenn ich den nächsten Kurs ein halbes Jahr später ausschreiben werde. Tun sie aber nicht. (Und das ist okay.)
Ich hatte eine Mindestanzahl von vier Leuten und habe den Kurs bis zwei Wochen vor Start nicht auf die vier Leute gebracht, generell verliefen die Anmeldungen sehr zögerlich. Dazwischen wollte ich den Kurs schon absagen und habe es nur nicht getan, weil mein Freund und seine Mama, die mich tatkräftig im Marketing unterstützt hat, darauf bestanden haben, es bis zum letzten Tag aufzuschieben.
Fehlendes Marketing? Es gab Flyer und Plakate im Ort und in der Gegend. Zu geringer Social-Media-Auftritt? Vermutlich. Der Preis, meine Expertise, mein nicht-vorhandener Ruf? Mein erster Fehler war, dass ich damit gerechnet habe, mehr Menschen aus meinen bisherigen Schreibkursen dafür zu begeistern. Mein zweiter Fehler war, bei der Kursbeschreibung herumzudrücksen, weil was würde das schreibende Milieu von mir denken, wenn die sehen, dass ich mit meiner kleinen Veröffentlichungsliste einen Romanschreibkurs ausschreibe? Ich bin zu spät in die Bibliotheken gegangen, um Flyer zu verteilen, weil es mir immer noch unangenehm ist, obwohl erfahrungsgemäß sich die meisten sogar freuen. Ich habe mich auf voller Breitseite selbst sabotiert, nachdem ich gemerkt habe, dass die erwarteten Anmeldungen nicht so eintrudeln wie erhofft.
Dann eben im Herbst nochmal. Gezielteres Marketing. Mutiger und lauter sein. Nicht zurückschrecken.
Ich musste mich wieder daran erinnern, warum ich eigentlich Schreibkurse mache. Warum ich genau diesen Schreibkurs machen wollte: Weil ich mir wünsche, dass die Menschen aufhören, vor ihren Geschichten davonzulaufen. Weil ich mir wünsche, dass wir an uns glauben. Weil ich mir wünsche, dass Schreiben uns wieder Spaß macht. Ich verkaufe keine Romanformel. Ich will die Menschen darin unterstützen, an ihre eigene Geschichte zu glauben. Ihnen dabei helfen, dranzubleiben und ihrem Schaffensprozess wieder zu vertrauen. Weil ich selbst weiß, was für einen heftigen Unterschied das machen kann.
Ich habe den Kurs wieder stärker beworben, obwohl ich schon aufgegeben hatte.
Und dann kam die eine Anmeldung herein, damit der Kurs doch noch stattfinden konnte und uff. Ich habe für einen Kurs noch nie so viel vorbereitet wie für diesen, weil ich eben nicht nur Theorie lehre, sondern auch Selbstreflexion. Weil ich möchte, dass die Menschen lernen, ihren Schreibprozess zu reflektieren oder überhaupt erst kennenzulernen. Zu erfahren, wie mensch eigentlich realistische Schreibziele steckt und was es eigentlich bedeutet, sich selbst wieder zu vertrauen, nachdem mensch sich wochenlang versprochen hat, sich an den Schreibtisch zu setzen, aber nie aufgetaucht ist. Schreiben ist für mich heftige Persönlichkeitsbildung. Am Papier setzen wir uns immer mit uns selbst auseinander und da rede ich nicht von Journaling. Amie Mcnee fasst das sehr gut in ihrem Buch We need your art zusammen:
Your inner critic, who berates you every time you make a mistake, will wear you down. The way you don’t believe you’re worthy of joy in your life? That comes up when you paint or write or make music, for some reason. You can’t use art to hide from the difficulties of life. Art is not a numbing mechanism. No, art exposes. Being an artis requires coming home to yourself, every time you create.
Und das kann zerrend sein und Angst machen. Das verstehe ich. Zu schreiben bedeutet eben nicht immer nur, genug Zeit zu haben, sondern auch die emotionale Kapazität, um sich mit der Geschichte, sich selbst und den eigenen Zweifeln auseinadnerzusetzen.
Mit Herz und Tinte (ja, DER Romanschreibkurs)
Der Kurs erfüllt mich anders. Als ich am ersten Tag nach Hause gekommen bin, war ich so zufrieden, erstaunt, berührt. Weil ich mich selbst damit überrascht habe, wie viel Erfahrung ich mit dem Schreiben schon habe, wie viel ich schon gelesen und recherchiert, analysiert und erprobt habe. Ich bin so froh, dass der Kurs stattfindet. Und dankbar, dass ich genau diese Prozesse durchtauchen durfte, die mit all diesem Chaos erschienen sind.
Nächstes Jahr werde ich den Kurs wiederholen und ich freue mich schon darauf.
Plötzlich sind’s zwei Jahre
Mit Juni bin ich seit zwei Jahren selbstständig gemeldet. Als ich damals diesen Schritt gewagt und ganze drei Tage beim AMS arbeitslos gemeldet war, hätte ich mir niemals ausmalen können, was für ein Leben ich führen würde. Ich habe mich für die Unwissenheit entschieden – das tue ich noch. Bei jedem Schreibkurs bange ich darum, ob genug Menschen da sein werden. Reicht der Job am Obstmarkt oder sollte ich mir noch einen Nebenjob suchen? Was ist, wenn ich wieder keine Schreibwettbewerbe gewinne? Die letzte Frage ist am einfachsten zu beantworten: Dann mache ich nächstes Jahr einfach wieder mit.
Als ich mich damals in das Schreiben geworfen habe, mit all der Unsicherheit, Angst und den Selbstzweifeln, die dazu gehören, dachte ich, dass Universum wird mir antworten und mich belohnen. Für meinen Mut. Es war eine so schwierige Entscheidung, meine alte Arbeitsstelle zu verlassen, weil ich die Inhalte der Arbeit wirklich mochte und mich phasenweise sehr frei austoben durfte. Wäre die Beziehung mit meiner Chefin nicht von Monat zu Monat schwieriger geworden, wer weiß, ob ich dann je gekündigt und mich getraut hätte. Und ja, ich bin ihr dankbar für all die Schwierigkeiten, denn so konnte ich endlich gehen, um das zu machen, wovon ich immer geträumt habe: Ein chaotisches Leben, in dem ich offen bin für jedes Abenteuer, das sich stellt. Ein Leben, in dem ich nicht nur viel über Kunst philosophiere, sondern auch viel davon machen darf.
Ich dachte mir das so: Ich kündige. Im Austausch gewinne ich die Schreibwettbewerbe und erfahre volle Bestätigung für meine Entscheidung und meinen Weg. Kann meiner Chefin irgendwie beweisen, dass ich gar nicht so naiv bin, sondern dass die Welt wirklich auf mich gewartet hat.
Ich habe keinen der Wettbewerbe gewonnen.
Stattdessen setzte ich mich damit auseinander, warum ich überhaupt schreiben möchte, was meine Träume sind, wenn mir die Menschen in meinem Umfeld nicht ständig einreden wollen, wie eine ECHTE Autorin auszusehen hat. Daraus entstand mein blauer Traum, falls jemand die lange Fassung lesen möchte, die kurze gibt es hier:
Denn berühmte Beststeller-Autorin zu sein wird mich nicht freier machen als jetzt, wo kaum jemand weiß, wer ich bin. Und das ist der Punkt: Ich will nicht berühmt werden, um berühmt zu sein, ich will einen Weg finden, um durchgehend und viel schreiben zu können. - Zurück zum blauen Traum, S. Fabian
Ich will mich mit Menschen verbinden durch meine Geschichten - ich möchte sie erheitern und aus ihrem Alltag entführen, so wie meine Figuren das mit mir machen. Ich möchte euch ablenken und begeistern, berühren und bewegen. Ich will die Welt verändern mit meinen Geschichten.
Es kommt mir heute wie eine kleine Erbse vor, wenn ich daran denke, wie meine Chefin meinte, dass letztlich alle Künstler*innen in die Erwerbstätigkeit zurückkommen, weil sie scheitern und eben ihren Bestseller nicht schreiben. Damals hat mir das ziemlich viel Angst gemacht, heute würde ich sagen: Ob ich erwerbstätig, ohne Arbeit, in Ausbildung oder selbstständig bin, ob ich Kunst als Hobby oder Leidenschaft bezeichne, nichts davon definiert mich als Künstlerin - denn das einzige, was zählt, ist, dass ich Kunst mache und dranbleibe.
Also. Eine Erinnerung an dich, okay?
Schreib dein Buch. Erzähl deine Geschichte. Lass dich nicht aufhalten von all den Zweifeln und von Menschen, die noch über ihre toten Träume trauern. Sei Kunst. Bleib laut. Und lass deine Buchstaben so chaotisch und wild tanzen, wie du es brauchst. Ich freue mich auf jede Zeile. Los, leb dein Gedicht! Denn jede Zeile zählt.
Und jetzt stell dir mal vor, eine Person aus einem deiner Kurse schreibt womöglich nur deswegen endlich ihr Buch, weil du vor zwei Jahren so "naiv" gekündigt hast 🤯💖
Oh, das war schön zu lesen. 🥰 Du warst und bist echt mutig, auch wenn sich das vielleicht nicht immer so angfühlt hat. Ich mag total wie du übers Schreiben und kreativ sein denkst und schreibst. ❤