a/n: Das ist die zweite Hälfte einer Kurzgeschichte. Falls du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, dann bitte hier entlang: Davor.
„Also, das ist … eine längere Geschichte.“
„Lass dir Zeit“, sagte er und seine Worte führten dazu, dass ich einen Atemzug nahm, bevor ich weitersprach.
„Ich habe Angst davor, dass die Magie mich verführt.“ Nun änderte ich meine Sitzposition, drehte mich zu ihm und kopierte ihn im Schneidersitz. „Kennst du diese Bücher für Kinder, die ihnen dabei helfen soll, Magie greifbar zu machen? Um sich nicht vor den eigenen Kräften zu fürchten? Wo sie seitenlang ausfüllen dürfen, was sie sich von der Magie wünschen, sich erhoffen oder wovor sie Angst haben?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Aber das klingt spannend.“
„Ich hatte meine magische Ausbildung mit fünfzehn an der Abendschule, weil ich keinen Bock darauf hatte, ein elementarer Kämpfer oder Sportler zu werden. Oder generell später mit Magie zu arbeiten. In meiner Familie sind die Elemente eine Art von Nutzen. Magie bedeutet in erster Linie Geld. Magie ist ein Produkt, das du vermarkten kannst. Magie ist Politik. Immer. Magie ist Medizin. Oder Wissenschaft. Sie dient zum Kampf oder zur Verteidigung. Vielleicht eignet sie sich noch für Sport. Aber Magie ist niemals Spaß. Oder Träumen. Oder Sterneknistern. Magie hat immer einen Zweck. Ich habe mir mit sechzehn oder siebzehn so ein Buch gekauft, es kam mir zufällig unter, als ich meinen Vater auf eine Sitzung in Istriel begleiten musste. Ich habe es vor ihm versteckt, natürlich. Und zuhause nur rausgeholt, wenn meine Familie nicht da war. Es war für mich das beste Buch aller Zeiten. Und natürlich musste mein Bruder es finden, obwohl ich es unter dem Bett unter Musikplatten versteckt hatte. Natürlich musste er es meinen Eltern zeigen und natürlich mussten sie mich für meine Antworten auslachen. Anekdoten am nächsten Familientisch erzählen: Wusstet ihr schon, dass Nathan glaubt, dass der Mond sprechen kann? Dass Bäume sich mit Polarlichtern zudecken und der Juwelsee so glitzert, weil es die Tränen von Menschen sein sollen? Nathan, Nathan, wo hängst du schon wieder mit deinem Kopf fest? Magie ist nicht zum Träumen, sondern zum Arbeiten da. Weil wer träumt denn schon davon, dass Hasen fliegen und Brunnen Liebe spenden und Fische mit uns sprechen und uns erzählen, wovon sie im Winter träumen? Was bringen mir die? Bezahlen die meine Rechnungen? Wer will sich beim Julfest schon mit jemand anderen ins Licht küssen? Oder an Samhain den Tisch für all die toten Menschen decken, die man geliebt hat und vermisst? Wer will denn schon Sternenzauber auf der Haut tragen und diesen blöden Brauch feiern? Das ist Zeitverschwendung. Aber wenn ich ins Atraxas gehe, dann … dann habe ich das Gefühl, wieder dieses Kinderbuch zu erleben. Auch wenn sich die Einrichtung verändert hat, gab es hier immer schon Magie, die pulsiert hat. Und jetzt? Hier segeln Schiffe durch die Gegend, um Shots auszuteilen. Sterne rudern diese Boote. Der Efeu lebt. Die Muscheln tanzen miteinander und selbst die Totenköpfe sehen freundlich aus.“ Ich atmete tief durch. Schloss die Augen. Erneut brannten meine Wangen, die Hitze kroch mir bis in die Ohrenspitzen, aber nicht wegen meines Gegenübers. „Sorry, das war sehr …“
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