Als Jugendliche stürzte ich mich in die Geschichten hinein, ohne viel nachzudenken. Ich hatte eine Idee, fünf Minuten später saß ich vor meinem Block oder meinem Laptop und haute sie in die Tasten und schrieb, schrieb, schrieb. Ich erforschte mit meinen Figuren ihren Charakter und ihre Absichten, gemeinsam durchlebten wir die Handlung. Alles entstand einerseits im Schreibprozess und andererseits in meinem Kopf (beim Zähneputzen, Wäscheaufhängen, Wachwerden am Morgen). Das Lostreten einer Idee ist wie eine Welle, die mich verschluckt.
Ein dramatisches Kind? Sicherlich.
Die Geschichten begleiteten mich überall mit hin – es ist ein bisschen so, wie ich es in meinem Buch wortwund erzähle – ich beschäftigte mich im Unterricht damit, im Bus, zuhause. Und was damals noch ein ganz wesentlicher Faktor war: Ich spielte meine Geschichten durch. Ich stellte mir selbst vor, die Hauptfigur zu sein und wie auf einer Bühne improvisierte ich meine Geschichte. Wenn ich bei einer Szene nicht weiterschreiben konnte, verschwand ich wortwörtlich körperlich und geistig in der Figur und spielte, stellte mir die anderen Charaktere vor, wie sie reagierten, wie ich reagierte – und weiter ging’s. Funfact: Beim Lesen kann unser Kopf nicht unterscheiden, ob es sich um reale oder fiktionale Figuren handelt – dasselbe habe ich in meinem Geschichtenspielen erlebt. Meine Emotionen waren immer außerordentlich echt und ich war immer schwer verliebt, verletzt und investiert, uff.
Heute passiert sehr viel nur mehr in meinem Kopf und in einem wilden Im-Kreis-Gehen – ich muss nicht mehr aufstehen und wirklich spielen, um die Handlung zu verstehen (obwohl ich das manchmal sehr vermisse und nostalgisch werde, weil einfach die Kampfszenen das Beste waren – angefangen dabei, wie ich mich ins Bett warf, weil ich einen unfassbaren Schlag vom Feind abbekommen hatte - klingt irre, ist es, aber oi, es war großartig).
Und es ist nur mehr selten: Idee – Hinsetzen – Schreiben. Das liegt wohl daran, dass ich unter einem heftigen Geschichtenstau leide. Die letzten zehn Jahre fand kein einziges Projekt seinen Abschluss, weil ich von meinen eigenen sehr hohen Erwartungen und meinem Perfektionismus furchtbar eingeschüchtert war. Auch die Bücher, die ich als Jugendliche geschrieben habe, warten auf Überarbeitung und sind nach wie vor fixer und wesentlicher Bestandteil meines Weltenbaus – es haben sich nur Handlung und Figurenbedeutungen verschoben. Ich habe so viele Ideen in meinem Kopf, dass ich manchmal selbst erstaunt bin, dass noch neue Figuren und Handlungen hinzukommen können (sie können). Gleichzeitig gab mir das natürlich die Zeit, in vielen Ideen lange und ausführlich zu versinken, bevor ich sie wirklich aufs Papier brachte (oder schon mehrfach in unterschiedlichen Versionen aufs Papier gebracht habe).
Der Prozess von ifkl
Bei meinem aktuellen Projekt ifkl (das sind übrigens die Kürzel für den Romantitel) ergab sich (bis jetzt) folgender Prozess:
2016 begann ich die erste Version, die aus der Frage entsprang: Was wäre, wenn ich in einem Haus leben müsste, in dem alle Mitbewohner:innen mich hassen oder verachten?
Was mich damals krass eingeschränkt hatte: Die magischen Fähigkeiten, die meine Hauptfigur besitzt, sollten erst nach einigen gigantischen Ereignissen (ich übertreibe ausnahmsweise mal nicht, wenn ich gigantisch sage) aus anderen Geschichten auftauchen. Ich musste also etwas schreiben, das erst weit nach meinem eigentlichen Hauptprojekt spielen soll - ich war überfordert mit dem Gedanken, was sich politisch/gesellschaftlich/kulturell und magisch alles verändert hatte. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, alles davor zu planen, aber für mich gab es viel zu viele Fragezeichen. Außerdem wollte ich nicht mit dem Ende meines größten Abenteuers beginnen.
Meine Gedanken stellten sich quer. Und es wurde richtig kompliziert bei der Frage, was ich mit der Zeitachse tue: Wenn die Geschichte um ifkl um 2021 spielen soll, wann fanden denn dann die anderen Geschichten statt? Ich wollte nicht in die 1980er zurück. Oder noch weiter, wenn die neue magische/gesellschaftliche Situation sich bereits gefestigt haben sollte. Ich überlegte alles: Die Erde wurde wiedergeboren, wir befinden uns auf einer neuen Zeitachse. Kompliziert? Kann ich.
Dazwischen versuchte ich immer mal wieder andere Geschichten, ließ es manchmal wieder ganz, während sich die magische Welt weiter in mir drehte, ohne dass ich Dampf ablassen konnte.
Universum sei Dank gibt es Anna Lane, die großartig schreibt und bereits mehrere Bücher veröffentlicht hat, und die ich vor Ewigkeiten in einem Schreibforum kennengelernt habe und heute zu meinen engsten Freundinnen zählt. Die wurde nicht müde mich zu fragen: Welche Geschichte klopft am lautesten in dir an? Welche Geschichte will jetzt von dir erzählt werden?
Und es war immer ifkl. Es war ausnahmslos immer ifkl. Die Figuren tauchten ständig auf, wenn ich einen Impuls für eine Kurzgeschichte bekam, ich habe so viele kleine Texte zu Alltagsszenen verfasst, ich kenne die Eltern meiner Hauptfigur wirkich gut. Dass ich nicht weiterkam, deprimierte mich manches Mal ziemlich, bis ich das konkrete Problem mit Anna besprach und sie mich schließlich fragte: Bist du dir sicher, dass es keinen anderen Weg gibt, um das zu ändern? Um es irgendwie zeitlich zu verändern?
Und dann machte es Klick. Was, wenn es nicht das Ende des Abenteuers ist, sondern die Vorgeschichte, der Anlauf? Und ehrlich: Das setzte mich frei, das war so logisch.
Wir haben Sommer 2021, in dem ich ganz viel „Unwritten“ von Natasha Bedingfield höre, und wieder beginne, ifkl zu schreiben. Und ich bin weit gekommen. Es war das erste Mal, das ich wieder einen Schreibflow und den Rausch erleben durfte und wie schnell ich über die Tasten fegte. Wie sich alles fügte und ergab und wie sehr ich es liebet, einfach zu machen und mich später um einen konkreten roten Faden zu kümmern.
Die Fassung war schon sehr nah an dem dran, was sie heute ist. Ein paar Figuren durften sich noch anpassen. Es tröpfelte dahin. Dazwischen kam eine andere Romanidee für den Wettbewerb von story.one, die ich schließlich auch verworfen habe, nur um dann „wortwund“ innerhalb von drei Tagen zu schreiben. Zu überarbeiten. Lektorieren und testlesen zu lassen. Es in den nächsten drei Wochen, pünktlich zur Deadline, noch zu veröffentlichen. Und auf einmal war mein erstes Buch da.


Das gab mir so viel Kraft: Endlich war das Verstecken im Schrank vorbei, endlich waren meine Kunst und ich sichtbar für die Welt, endlich war ich dort angekommen, wo ich hinwollte, wonach ich mich so sehr sehnte.
Daraufhin fokussierte ich mich wieder mehr auf meine Geschichten, schrieb einfach einen Roman und zwei längere Fanfictions (wtf?) parallel. Ich schwöre, das ist das Resultat von Geschichtenstau.
Aus einer dieser Fanfictions wurde schließlich ein Romananfang, weil mich die Hexe fragte: “Wenn du das alles schon in deiner Welt spielen lässt, warum erfindest du dann nicht auch die passenden Figuren dazu? Ich glaube, die Geschichte funktioniert auch als eigenständiger Roman. Ohne geliehener Figuren.”
(Wisst ihr, wie dankbar ich eigentlich bin, eine so großartige Crew zu haben, die mich durch mein Geschichtenmeer navigiert?)
Also schrieb ich die Fanfiction um. Arbeitete an ihr (mk) und an ifkl parallel, wusste: Das sind gerade meine Babys.
Dazwischen brach dann in der Arbeit alles zusammen, ich kündigte meinen Job, sprang ins Ungewisse und ließ mich auf meine Romane ein. Alle, die mich fragten, was ich dann tun werde und vom Romanschreiben sprach, erzählte ich von dem anderen Projekt (mk).
Nur um nach meinem Urlaub und dem Ankommen in der Selbstständigkeit wieder bei ifkl zu landen und die Geschichte endlich zu schreiben, die eigentlich ein Einzelband hätte werden sollen und nun (vermutlich) eine Trilogie wird.
Den ersten Rohentwurf – der eine Mischung aus all den abgebrochenen Anfängen wurde – schrieb ich innerhalb von sechs Wochen. Ich habe danach den Witz gemacht, dass es mir eher wie ein groß ausgefeilter Plot vorkommt und weniger wie ein fertiger Roman – zum Teil hatte ich auf jeden Fall Recht.
Wie bin ich das angegangen? Es gibt manchmal diese Impulse, sich an den Schreibtisch zu setzen und zu schreiben, weil ich einen Satz im Kopf habe, der mich nicht loslässt. Ifkl beginnt mit einer anderen Szene, als es ursprünglich hätte beginnen sollen, auch der restliche Beginn zieht sich nun etwas länger, bis die Hauptfigur endlich an der Schule ankommt, wo das „wahre Drama“ stattfindet. Und dann schrieb und ergänzte ich ifkl mit dem, was ich bereits hatte. Und machte einfach weiter.
Dazwischen besuchte ich den Schreibkurs von Kea von Garnier, in dem es um Storytelling und Plotten ging. Das war mega hilfreich, weswegen ich zwischendurch den Plot meiner Geschichte schrieb (als ich noch dachte, dass es ein Einzelband wird, ich war wirklich lange überzeugt davon) und habe ihn parallel immer wieder angepasst oder mich daran orientiert. Und dann schrieb ich weiter, erinnerte mich an den shitty first draft erinnert und machte.
Zum Überarbeiten benötigte ich dementsprechend mehr Zeit: Während die erste Hälfte des Romans (in dem sich aber auch viele Szenen befanden, die ich schon überarbeitet und neu miteingewoben hatte) erstaunlich sauber war, erwartete mich in der zweiten Hälfte sehr viel unbearbeiteter Marmor, der in Form gebracht werden wollte. Auch die finale Szene änderte ich komplett.
Insgesamt habe ich also drei Monate gebraucht, um die Version von ifkl zu erschaffen, die ich nun mit meinen Testlesenden teile und auf Feedback warte, während ich bereits damit begonnen habe, den zweiten Teil zu plotten und zu schreiben. Schauen wir mal, was wird.
Und da dieser Text schon etwas älter ist: Mittlerweile habe ich auch das Exposé von ifkl geschrieben, leiste mir noch ein Gutachten bei einer Lektorin dafür und dann schauen wir mal, wie das Abenteuer weitergeht.
Vielen lieben Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, um dich meinem Geschichtenmeer zu widmen. Wenn dich der Text angesprochen hat, freue ich mich, wenn du meine Kunst so unterstützt, wie es dir gerade möglich ist:
Es hilft auch, den Post zu liken, zu kommentieren oder mit deinen Freund:innen zu teilen. Danke dir von Herzen, dass du hier bist. Pass auf dich auf und wir lesen uns.
So spannend! Ich bin so froh, dass du drangeblieben bist und IFKL aus deinem Kopf in ein Manuskript geholt hast. 😍